Zukunftsalgorithmus Einflussmatrixanalyse
Systemanalyse mit der Einflussmatrix
Die Einflussmatrix ist einer der wichtigsten und gleichzeitig einfachsten Algorithmen der Zukunftsforschung. Sie bildet Zusammenhänge ab: zwischen Einflussfaktoren in der Szenariotechnik, zwischen Trends, zwischen Akteuren, usw. Ganz allgemein zwischen einer Menge von Elementen, die ein System bilden.
Sie kann ganz einfach mit jedem Tabellenkalkulationsprogramm erstellt werden. Oder, wie hier, in einer Programmiersprache wie R
implementiert werden.
1. Schritt: Aufstellen der Einflussmatrix
Die Einflussmatrix hat die selben Zeilen- und Spaltenüberschriften. Jede Zeile bzw. Spalte steht dabei für ein Element des Systems, zum Beispiel einen Einflussfaktor. Die Diagonale der Matrix ist leer (Elemente beeinflussen sich also nicht selbst). Die Matrix folgt dabei einer Von → An Logik. Das heißt,in jedem Feld der Matrix steht eine Zahl, die den Einfluss des Faktors in der Zeile auf den in der Spalte angibt. Üblicherweise wird dabei eine Skala von 0 bis 3 verwendet:
Skalenwert | Bedeutung (am Beispiel von Einflussfaktoren) |
---|---|
0 | Der Faktor in der Zeile hat keinen Einfluss auf den Faktor in der Spalte. |
1 | Der Faktor in der Zeile übt geringen Einfluss auf den Faktor in der Spalte aus. |
2 | Der Faktor in der Zeile übt hohen Einfluss auf den Faktor in der Spalte aus. |
3 | Der Faktor in der Zeile übt dominierenden Einfluss auf den Faktor in der Spalte aus. |
Je besser die Zahlenwerte geschätzt werden, desto besser das Ergebnis. In der Praxis werden sie am Besten durch Expertenbefragungen, Expertenpanels oder in Workshops festgelegt.
In der Praxis sieht eine Einflussmatrix aus einem recht alten Szenarioprojekt zu Wasserzukünften zum Beispiel so aus:
water <- read.table(sep = " ",
col.names = c("Demographie",
"mindestversorgung-mit-Wasser",
"Werte-Leitbilder",
"technologischer-Übergang",
"Anwendbarkeit-Übertragbarkeit-v-Technolog.",
"Wasserverbrauch",
"Notwendigkeit-von-Wasseraufbereitung",
"Weltklima",
"realisierte-Investitionen-in-Wasserversorgung",
"Wasserverknappung",
"physische-Ungleichverteilung-von-Wasser",
"Ressourcen",
"Wirtschaftswachstum",
"Leistungsfähigkeit-von-Volkswirtschaften",
"Finanzierung",
"Globalisierung",
"technisch-kommerzielle-Bedingungen",
"Finanzprogramme",
"Wasserverteilung",
"Umweltpolitik"),
text = "NA 3 0 1 0 3 1 0 0 3 0 3 2 3 0 1 0 1 0 2
2 NA 1 1 0 2 3 0 1 0 0 0 2 2 0 2 0 3 2 1
3 1 NA 3 3 2 3 2 1 1 0 0 3 3 1 2 1 2 1 2
1 2 2 NA 1 3 3 3 2 2 0 3 3 2 1 2 1 2 0 1
0 1 0 1 NA 2 0 0 1 1 0 2 2 2 0 3 0 0 3 0
0 3 0 0 0 NA 3 2 2 3 2 3 1 0 1 0 1 2 2 1
0 0 0 1 2 0 NA 0 1 0 0 1 1 0 0 0 0 0 2 1
3 1 2 0 1 3 3 NA 3 3 3 2 1 2 0 1 0 2 3 3
2 2 2 2 0 2 0 3 NA 0 0 1 2 2 0 2 1 2 2 1
3 3 2 2 1 3 3 2 2 NA 0 3 2 2 0 2 1 3 3 2
2 1 0 2 0 2 2 0 2 0 NA 0 1 1 1 0 2 2 3 2
2 2 1 3 0 2 3 2 2 0 0 NA 2 3 3 2 1 3 0 1
2 0 2 1 2 3 2 3 2 3 0 2 NA 3 2 2 1 1 0 3
2 1 0 3 2 3 2 0 2 1 0 2 3 NA 3 2 1 2 2 2
0 2 0 3 0 0 0 1 3 0 0 0 3 0 NA 2 3 3 2 1
0 0 3 2 0 3 3 2 1 2 0 2 2 2 3 NA 3 2 1 3
0 0 0 3 3 1 2 0 2 1 0 0 2 2 3 2 NA 2 0 0
1 2 0 2 1 2 0 0 3 1 0 0 2 2 3 2 2 NA 2 1
2 2 0 1 2 2 0 1 0 0 0 0 2 2 0 0 1 0 NA 0
0 2 2 1 1 3 3 1 2 1 0 0 3 2 3 3 3 2 2 NA")
rownames(water) <- colnames(water)
2. Schritt: Berechnungen
Die Berechnungen für eine Einflussmatrixanalyse sind denkbar einfach:
Name | Berechnung | Bedeutung |
---|---|---|
Aktivsumme | Summe aller Elemente einer Zeile | Der Von → An Logik folgend ist dies ein Maß für den Gesamteinfluss, den ein Faktor auf alle anderen Faktoren ausübt. |
Passivsumme | Summe aller Elemente einer Spalte | Dies ist ein Maß für alle Einflüsse anderer Faktoren, die auf diesen Faktor wirken. |
Dynamik-Index | Produkt aus Aktiv- und Passivsumme | Dies ist ein Maß für die Einbindung eines Faktors in das System. Je höher der Dynamik-Index, desto wichtiger ist dieser Faktor für die kurzfristige Entwicklung. |
Impuls-Index | Quotient von Aktiv- und Passivsumme | Dies ist ein Maß für die Unabhängigkeit eines Faktors von den anderen. Je höher der Impuls-Index ist, desto wichtiger ist der Faktor als Treiber der langfristigen Entwicklung. |
In R
sieht das dann, zusammen mit einer sortierten Ausgabe, so aus:
as.water <- apply(water,1,sum,na.rm=T) # sum by rows
ps.water <- apply(water,2,sum,na.rm=T) # and col's
di.water <- as.water * ps.water
ipi.water <- as.water / ps.water
hrs <- function(x, n = 5) return(head(rev(sort(x)), n))
hrs(as.water)
## Wasserverknappung Weltklima Umweltpolitik Globalisierung
## 39 36 34 34
## Wirtschaftswachstum
## 34
hrs(ps.water)
## Wasserverbrauch
## 41
## Wirtschaftswachstum
## 39
## Notwendigkeit.von.Wasseraufbereitung
## 36
## Leistungsfähigkeit.von.Volkswirtschaften
## 35
## Finanzprogramme
## 34
hrs(di.water, 3)
## Wirtschaftswachstum
## 1326
## Leistungsfähigkeit.von.Volkswirtschaften
## 1155
## technologischer.Übergang
## 1088
hrs(ipi.water, 3)
## physische.Ungleichverteilung.von.Wasser Werte.Leitbilder
## 4.600000 2.000000
## Wasserverknappung
## 1.772727
Die größten Treiber in diesem Beispiel sind also physische Faktoren, während der Wasserverbrauch und wirtschaftlich/technische Faktoren eher folgen. Kurzfristig wird die Entwicklung durch ökonomische Faktoren dominiert. Langfristig treiben außer der Wasserverfügbarkeit vor allem Werte und Leitbilder das Szenario an. (Auf eine ausführliche Diskussion verzichte ich, da es in diesem Post um den Algorithmus gehen soll.)
3. Schritt: Visualisierung und Interpretation
Um komplexe Sachverhalte wie diesen abzubilden sind aber Grafiken besser geeignet, als Listen mit Zahlen. Zur Visualisierung einer Einflussmatrixanalyse wird das sogenannte Systemgrid verwendet. In ihm sind die Passivsumme auf der x-Achse und Aktivsumme auf der y-Achse aufgetragen. Ausgehend vom Mittelwert der Aktiv- und Passivsumme wird es in vier Quadranten eingeteilt:
Quadrant | Bedeutung |
---|---|
unten links | Träge Elemente. Üben weder viel Einfluss aus, noch beeinflussen sie andere Elemente wesentlich. Wirken stabilisierend auf das System. |
unten rechts | Reaktive Elemente. Üben wenig Einfluss aus, werden aber stark von den anderen Elementen beeinflusst. |
oben links | Aktive Elemente. Üben starken Einfluss aus, werden selbst jedoch wenig von den anderen Elementen beeinflusst. Sie treiben das System auf lange Sicht. |
oben rechts | Kritische Elemente. Üben starken Einfluss aus und werden selbst stark beeinflusst. Sie dominieren das kurzfristige Verhalten des Systems und wirken tendenziell destabilisierend. |
plot(ps.water, as.water,pch = 5, cex = 3,
xlab = "Passivsumme",
ylab = "Aktivsumme",
main = "Systemgrid")
text(ps.water,as.water, 1:20)
abline(v = mean(ps.water), col="blue")
abline(h = mean(as.water), col="blue")
mtext(" träge", side = 1, adj = 0, line = -1.1)
mtext("reaktiv ", side = 1, adj = 1, line = -1.1)
mtext("kritisch ", side = 3, adj = 1, line = -1)
mtext(" aktiv", side = 3, adj = 0, line = -1)
Auch hier soll keine ausführliche Interpretation stattfinden (es geht um den Algorithmus, nicht um das Szenario). Zwei Faktoren stechen heraus: als langfristiger Treiber Nr. 10: Wasserverknappung, und Nr. 13: Wirtschaftswachstum, als kurzfristig kritischer Faktor.
In jedem realen Projekt schließt sich an diesen Schritt jetzt selbstredend eine ausführliche Diskussion des Ergebnisses im Team, mit den Auftraggebern und Stakeholdern an.
Fazit
Eine Einflussmatrixanalyse kann leicht durchgeführt werden, ob mit R
oder einem Tabellenkalkulationsprogramm wie Microsoft Excel spielt dabei keine Rolle. Die Vorteile von R
kommen aber zum tragen, wenn sich noch komplizierte Auswertungen anschließen.
Die Einflussmatrixanalyse hat in Foresight und Zukunftsforschung viele Anwendungen. Sie ist der methodische Kern nicht nur der Szenarioanalyse sondern auch von Stakeholder- und anderen Systemanalysen.
Ein Tipp zum Abschluss: Bitte die Einflussmatrixanalyse nicht mit der Cross-Impact-Analyse verwechseln, in der die Wechselwirkungen von Ereignissen untereinander betrachtet werden.