Das Zukunftswissenschaft-Blog

Hier finden alle Schnipsel und Gedanken ihren Platz, die sonst keinen haben. Wissenswertes, Neues, Unerwartetes, Ideen, kleine Aufreger - und immer mit Zukunft.

Masterstsudiengang Zukunftsforschung wird Ausgewählter Ort 2011

Am 31.1. hat die Initative Deutschland - Land der Ideen bekannt gegeben, daß der Masterstudiengang Zukunftsforschung zu den diesjährigen Gewinnern im Wettbewerb 365 Orte im Land der Ideen gehört.

“Der Studiengang ist eine Initiative des Arbeitsbereichs Erziehungswissenschaftliche Zukunftsforschung der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard de Haan und verschiedenen Institutionen und Einzelpersonen aus dem Netzwerk Zukunftsforschung.”

Als eine dieser Einzelpersonen freue ich mich über diese Auszeichnung natürlich ganz besonders.

Besonders erfolgreich

Die 3. Jahrestagung “Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement in produzierenden Unternehmen” fand am 12. und 13 Oktober 2010 mit ca. 50 hochkarätigen Teilnehmern aus den unterschiedlichsten Branchen und einem Produktspektrum von Wehrtechnik bis Weichspüler im Hilton in Düsseldorf statt. Mit einigen Wochen Abstand möchte ich ein Fazit in Stichworten ziehen.

So verschieden die Branchen und Produkte der Konferenzteilnehmer auch sind; so unterschiedlich die vorgestellten Ansätze im Detail; auf einer tieferliegenden Ebene waren sich die Vortragenden weitgehend einig. Ich meine damit die Ebene der Innovationskultur in Unternehmen.

Die (vorläufig) beste Einführung in das Systemdenken

Systemdenken (engl.: Systems Thinking) ist eine der wichtigsten Grundlagen der Zukunftswissenschaft. Gute einführende Texte sind rar. Wenn Systemdenken so wichtig ist, wie kann ich es lernen, was gehört dazu? Gibt es keine kurze und leicht verständliche Einführung? So oder ähnlich lautet eine häufige Frage an mich auf die ich keine zufriedenstellende Antwort hatte, bis ich ein Dokument von J. Gharagedaghi entdeckt habe.Seit dem antworte ich: Das Thema füllt Bücher und keines davon deckt alle Aspekte gleichermaßen ab. Für eine leicht verständliche und kompakte Einführung lesen Sie bitte “Systems Methodology - A Holistic Language of Interaction and Design” von J. Gharajedaghi. Dieser englischsprachige Aufsatz von gerade einmal 14 Seiten deckt die wesentlichen Aspekte des Systemdenkens ab, die Sie für problemorientierte Zukunftsstudien brauchen. Eines kann einem aber weder die Lektüre dieser Einführung noch ein umfassendes Literaturstudium - das Thema Systemdenken füllt einige Regalmeter - ersparen: Systemdenken braucht jahrelange Praxis und Übung. Das bestätige ich als Lehrender und vor allem als Lernender.

Innovationsverhinderungsmanagement

Ein Zwischenruf

Ideen stören. Sie sind unbequem. Sie unterbrechen das dringliche Tagesgeschäft. Sie rütteln am Status Quo, sie stellen das Bewährte, Gute und Richtige, das wir tun in ein falsches Licht; fordern frech Veränderung. Unter solchen Randbedingungen erhält ein effektives Innovationsverhinderungsmanagement eine zeitlos hohe Bedeutung. Wie viel schöner wäre es doch, wenn die Zukunft so aussähe wie die Vergangenheit. Deshalb ist es nur logisch, Ideen abzulehnen, bevor sie zu Innovationen werden können. Glücklicherweise kehrt sich (Achtung: Spielregel!) durch Ablehnung einer Idee die Beweislast um. Der Ideengeber “darf” beweisen, daß die Idee allen Anfeindungen wiederstehen kann (also am besten ein komplettes Konzept für die Realisierung, die Abstimmung mit allen Betroffenen und die Wirtschaftlichkeitsrechnung plus 200 Bestellungen schon in der Tasche haben). Fragen, denen sich Verteidiger des Istzustands erfreulicherweise nicht zu stellen brauchen. (Spielregel!)

Spinat ist gesund!

Spinat ist gesund, weil er 10 mal mehr Eisen enthält als alle anderen Gemüse. Daher ist es wichtig, daß Kinder regelmäßig Spinat essen. Müssen. - ISS! Diversifikation ist extrem risikobehaftet und mit hohen Aufwendungen verbunden. Deshalb dürfen rational denkende Manager oder Unternehmer sich nicht auf solche Abenteuer einlassen. Finger weg. STOPP!

Ansoffs Erben

Die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff hat schon vor vielen Jahren angefangen ein eigenartiges Eigenleben zu führen. Viele Präsentationen z.B. von Unternehmensberatern aber auch von Hochschuldozenten verbreiten: “Schuster, bleib bei Deinen Leisten”. Die einfache Botschaft: wer außerhalb seines angestammten Produktportfolios bzw. Märkte innoviert wird Schaden nehmen weil Aufwand und Risiko im Vergleich mit inkrementalen Innovationen extrem ansteigen. Im Falle von Diversifikation (neues Produkt auf neuem Markt) stiege der Aufwand um ganze 1600% bzw. das Risiko des Scheiterns auf 95%. Das tut weh (und ist gleichzeitig soooo bequem, denn ich muss als Unternehmen nix neues machen). Angesichts dieser Dimensionen wollte ich die Quelle kennen lernen - dort mußte doch. so habe ich vermutet, noch viel mehr an wertvoller Information zu finden sein. Beispielsweise der Nutzen aus solchen Diversifikationsentscheidungen, der solche immensen Risiken rechtfertigen könnte. Die verwendeten Aufwandsziffern lassen sich bis auf ein erstmals 1972 erschienenes Buch zurückverfolgen (Aurich & Schroeder. 1972. System der Wachstumsplanung im Unternehmen. München. 2. Auflage 1977 unter dem Titel Unternehmensplanung im Konjunkturverlauf) Nach einer Auflistung der zu erwartenden “Schwierigkeiten, Risiken und erforderlichen Anstrengungen des Unternehmens bei der Realisierung einer dieser Extensivierungsstrategien lassen sich die folgenden Relationen erwarten […]” folgen die bekannten Angaben und der entscheidende Nachsatz: “Diese - sicherlich sehr globalen - Schätzwerte [sic!] deuten vor allem darauf hin, daß Extensivierungsstrategien besonders sorgfältig ausgewählt und geplant werden müssen” (S. 243 in der 2. Auflage) Zu meinem nicht geringen Erstaunen handelt es sich bei diesen seit ihrer Publikation so oft zitierten und wiederholten Zahlen um Schätzungen der Autoren die nicht empirisch untermauert sind. Keine Quelle, keine Studie, nicht einmal eine Umfrage. Nichts! Und erst recht keine Angaben zum möglichen Nutzen der einzelnen Strategietypen! Die Angaben zur Erfolgswahrscheinlichkeit stammen aus einer Zeitschrift mit dem schönen Titel “Literatur-Berater Wirtschaft” und wurden 1979 in einer Literaturübersicht zum Thema Innovation im Unternehmen aufgeführt (Hinterhuber & Thom. 1979. Innovation im Unternehmen. In: Literatur-Berater Wirtschaft Heft 2 S. 13-19) Gleich unten in der ersten Spalte steht das Gesuchte in einer “Größenordnungsmäßige Verteilung der Erfolgswahrscheinlichkeiten von Produktinnovationen”. Ein neues Produkt in einem neuen Markt, so wird angegeben, habe eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 5%. Nun kann man den Autoren, beide renommierte Hochschullehrer, sicher nicht unterstellen an quellensauberes Arbeiten nicht gewöhnt gewesen zu sein. Die völlige Abwesenheit einer Quellenangabe bedeutet also entweder daß es sich um Allgemeinwissen handelt (also mindestens 5 Fundstellen ohne Quellenangabe bereits vorgelegen haben) oder um einen originären Beitrag der Autoren. Auch hier keine Studie, keine Umfrage. Nichts! Und immer noch keine Angaben zum möglichen Nutzen z.B. einer Diversifizierungsentscheidung!