Kapitel 15 Bewertung von Innovationsvorhaben: Future Business Value

Mit diesen Methoden maximieren Sie den Wert der Innovationspipeline Ihres Unternehmens.

15.1 Beschreibung

Innovationen sind Investitionen: aktuell verfügbare Finanzmittel (Entwicklungskosten) werden aufgewandt, um später ein Mehr an neuen Finanzmitteln zu erwirtschaften. In der Praxis erfolgt die Innovationsbewertung jedoch zumeist zu sehr Kosten- und Gegenwartsorientiert, auch weil die Kostenseite einfacher und genauer zu fassen ist als die Erlösseite.

15.2 Einsatzgebiet

Diese Bewertungsverfahren sind vor allem für die mittleren und späteren Meilensteine von Innovationsprojekten gedacht und korrespondieren mit dem Balance-Portfolio (Nr. 2). In frühen Phasen und für die Ideenauswahl sind Scoring-Modelle wie das Chancen-Portfolio Nr. 1 bei Portfolio-Management besser geeignet.

15.3 Einbindung

Damit ein Portfoliomanagement sinnvoll durchgeführt werden kann müssen zuvor alle Innovationsvorhaben in gleicher Weise erfasst und dann einheitlich bewertet werden. Eine härtegradgestützte Vorgehensweise und Unterteilung in strategische Töpfe ist notwendig, damit z.B. neue Produkte im Ideenstadium nicht mit fertigen Businessplänen für die Auffrischung lange etablierter Produktbaureihen oder bahnbrechende Chancen mit der Überarbeitung lange etablierter Produkte konkurrieren müssen. Das wäre nämlich eine sichere Methode, um Innovationen zu verhindern, also ein Fehler von der Sorte, den Sie Ihren Wettbewerbern überlassen sollten.

15.4 Durchführung

15.4.1 Strategische Töpfe festlegen

Da der im Folgenden für die Bewertung verwendete Barwert kurzfristige Erfolge belohnt ist es notwendig unterschiedliche strategische Töpfe für Projekte unterschiedlicher Innovationshöhe und damit Entwicklungsdauer festzulegen. Dies ist eine strategische Entscheidung.

Beispiel für eine Budgetverteilung auf strategische Töpfe

TIPP: Das Innovationsbudget umfasst mehr als Forschung und Entwicklung! Denken Sie an die erforderlichen Mittel für Vermarktung, Produktion, Werbung usw.

Legen Sie fest, welches Budget Sie für bahnbrechende/radikale bzw. inkrementelle Innovationen sowie für die Pflege des aktuellen Produkt- und Dienstleistungsspektrums aufwenden wollen.

TIPP: Eine Faustregel lautet für jede Kategorie 1/3 des Gesamtbudgets einzusetzen. In der Praxis sind z.B. auch 60/30/10% anzutreffen. Wichtig ist, die Entscheidung bewusst zu treffen und die Budgets fest gegeneinander abzuschotten.

15.4.2 Projektbewertung nach Kategorien durchführen

Variante 1: Projektnutzen / Aufwand

Wir nennen diese Art der Projektbewertung im Scherz oft die ‘Feuerwerksformel’ - wo bekomme ich am meisten ‘Rumms’ für mein Geld? Bilden Sie den Quotienten aus dem erwarteten Nutzen und dem noch bis zur Markteinführung erwarteten Aufwand. (Aus Gründen des korrekten Umgangs mit den ‘versunkenen Kosten’ darf nicht dem Gesamtaufwand angesetzt werden.) Ordnen Sie wie in der nachfolgenden Tabelle alle Projekte innerhalb ihrer Kategorien nach dieser Kennzahl.

Projektpriorisierung unter Verwendung des RUMMS

RUMMS = BW / K_Ve

mit:
RUMMS   Relativer Umsatz pro Mensch-Stunde
BW      Barwert der zukünftigen Einzahlungen aus dem Innovationsprojekt (abgezinst auf Heute)
K_Ve    Verbleibende Kosten bis zur Markteinführung

Variante 2: Erwartungswertmethode

Die Erwartungswertmethode berücksichtigt den Zukunftscharakter jeder Innovationsbewertung. Sie arbeitet mit Erfolgswahrscheinlichkeiten für die beiden wesentlichen Meilensteine eines Innovationsprojekts: Den technischen und den kommerziellen Erfolg.

Flussdiagramm für die Berechnung des erwarteten wirtschaftlichen Werts eines Projekts

Damit können Sie kalkulieren:

EWW = [(BW * P_Me - K_Me) * P_Te] - K_Te

mit:
EWW     Erwarteter wirtschaftlicher Wert (Future Business Value)
BW      Barwert der zukünftigen Einzahlungen aus dem Innovationsprojekt (abgezinst auf Heute)
P_Me    Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Markteinführung (unter Vorauss. des techn. Erfolgs)
P_Te    Wahrscheinlichkeit des erfolgreichen Abschlusses der Entwicklung (Technischer Erfolg)
K_Me    Kosten der Markteinführung
K_Te    Kosten der Entwicklung

15.4.3 Entscheiden und überprüfen

Jetzt wird es ernst: aus Zahlen werden Entscheidungen. Lieblingsprojekte können eingehen; hässliche Entlein mausern sich zu Schwänen.

Tragen Sie von allen Innovationsvorhaben getrennt nach Kategorien mindestens folgende drei Daten in eine Tabelle ein: Den Namen, Die Priorisierungskennzahl (Bewertungspunkte, RUMMS, EWW z.B.) und die Ressourcen die im laufenden Jahr für eine ordentliche Weiterentwicklung des Vorhabens aufgewandt werden müssten. Am besten berechnen Sie die Priorisierungskennzahl in der selben Tabelle, wie im Beispiel oben im Abschnitt RUMMS.

Sortieren Sie die Tabelle nach der Prioritätskennzahl.

Berechnen Sie die kumulierten Ressourcen über alle Vorhaben von oben nach unten. Ziehen Sie einen Strich, wenn die vorhandenen Ressourcen genutzt sind. Alle Vorhaben oberhalb dieser Linie werden weiterverfolgt.

TIPP Seien Sie die erste Zeit milde mit Ihren Entscheidungen. Bis das Verfahren wirklich ‘klappt’ werden Sie Portfolios und Bewertungsmethodik erfahrungsgemäß noch zwei- oder dreimal anpassen müssen.

Durch das Vorgehen in drei Kategorien stellen Sie sicher, dass sie ein ausbalanciertes und werthaltiges Portfolio an Innovationsvorhaben aufbauen.

15.5 Fazit

  1. Legen Sie strategische Töpfe fest.
  2. Bewerten Sie Projekte innerhalb dieser Töpfe nach einheitlichen Maßstäben. Ermitteln Sie ein Bewertungskennzahl.
  3. Ordnen Sie die Projekte nach der Bewertungskennzahl. Ermitteln Sie die benötigten und vorhandenen Ressourcen und priorisieren Sie objektiv.

15.6 Weiterführende Informationen

Cooper et al, 2001, Portfolio Management for New Products

Littkemann, 2010, Innovationscontrolling. In: Albers & Gassmann, Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. S. 585 ff.